Auszug aus:
Stickstoff – ein Arbeitsbericht
>>Ich
sehe –
nehme Strukturen in meiner Umgebung war, spüre die
Veränderung der Natur – das Wachsen und das Vergehen. Der Winter lässt
die Landschaft karg aussehen und bereichert sie mit scharfen Linien. Ich
sticke schwarze Linien auf ein weiches Tuch, das das Licht gerade so
durchscheinen lässt. Die abgerissenen Fäden liegen schlaff auf dem
Gewebe als hätte die Erde den letzten Lebenssaft geraubt. (...)
Ganze Hecken
stehen da wie Silhouetten. Schwarz, grau und braun dazu ein erdiges
weiß. Jeder Hauch von Farbe könnte Leben bedeuten. Ein einziger Stich
mit grün würde den sich anschleichenden Frühling verraten. Vorsichtig
taste ich mich voran. Erst ganz dünne Nähte. (...), die Stiche sind lang
und verschwinden fast auf dem grau bedruckten Stoff.
Ich werde
schneller, die Knospen der Blätter platzen auf, der Lebenssaft schießt
von der Wurzel in alle Äste. Ich stelle meine Maschine auf Anschlag und
bedecke die graue Fläche mit grünen Stichen, dazu noch grünes
Glitzergarn und gelbes.
Die Natur ist
wieder belebt, alles scheint neu und anders. (...) Ich fotografiere das
Gestrüpp vor meinem Fenster. Der starke Wind lässt die Blätter wild in
alle Richtungen bewegen. Es entsteht ein rhythmisches Rauschen, mal laut
dann ein kurzes Abflauen, dann wieder lauter. Ich drücke den Auslöser
der Kamera.<<